Staunen über politische Blödheit - Europa-Abgeordnete Inge Gräßle spricht mit Zehntklässlern am HBG über Flüchtlinge und die EU

Die Zehntklässler des Hans-Baldung-Gymnasiums hatten sich gut auf den Besuch von Europa-Abgeordneter Inge Gräßle vorbereitet. Die CDU-Politikerin sprach mit ihnen über Flüchtlinge, Erpressbarkeit und Donald Trump. (Fotos: Tom)

Der Türkei-Pakt, TTIP, Donald Trump – die Schüler der Klassenstufe 10 des Hans-Baldung-Gymnasiums hatten das Treffen mit der Europa-Abgeordneten Inge Gräßle gut vorbereitet. Die 55-jährige CDU-Politikerin besuchte am Freitag die Schüler und stellte sich ihren Fragen.

Es sei derzeit schwierig, sagte Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold zur Einleitung. Zwar „nölten“ viele, aber jetzt stelle man die Weichen, wie „wir in zehn oder 20 Jahren leben“. Dies betreffe vor allem die Generation der anwesenden Schüler. Für Europa und die Flüchtlinge sei es keine Lösung, jetzt wieder die Grenzen zu schließen. Arnold warnte davor, wieder in die Nationalstaaterei der vor EU-Zeit zurück zu fallen. Und auch Inge Gräßle machte klar: „Wir müssen dieses Europa an die nachfolgende Generation übergeben.“ Die EU sei eine Rechtsgemeinschaft, in der für alle Konfliktfälle Verfahren entwickelt worden seien. Sie sei kürzlich bei der Einreise von Straßburg nach Deutschland zwei Stunden bei Kehl auf der Europabrücke gestanden: „Es ist ganz ganz schlimm, was wir derzeit erleben.“ Nationale Einzelschritte seien eine Bedrohung für den Zusammenhalt. Vor allem: „Es gibt nicht die EU. Sie besteht aus 28 souveränen Einzelstaaten.“ Allerdings müsse auch jeder Staat mit seinem Eintritt in die Staatengemeinschaft etwas von seiner Souveränität aufgeben.

Sie sei fassungslos, wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban reagiere. Im vergangenen Jahr habe er händeringend um Hilfe bei der Lösung der Flüchtlingsproblematik gebeten, jetzt sage er: „Ihr seid ja selber schuld. Ihr habt sie ja reingelassen.“ Aber: „Eine Retourkutsche ist mehr als angebracht“, stellte Gräßle fest. Man brauche eine flexible Organisation für die Flüchtlingsströme. Aber da gebe es auch ein Versagen in der Vergangenheit. Man hätte schon viel früher reagieren müssen, um beispielsweise Italien zu helfen. Aber damals habe man noch auf der in den 90er-Jahren verabschiedeten Doktrin beharrt, dass jedes Land mit den Flüchtlingen selbst fertig werden muss, die bei ihm einträfen. Derzeit seien im Nahen Osten 25 Millionen Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan auf der Flucht. Sie verteidigte den Pakt mit der Türkei, wonach die EU Flüchtlinge und andere Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei schickt. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf ein anderer Syrer aus der Türkei legal in die EU einreisen. Und Gräßle gab zu: „Natürlich sind wir erpressbar. Aber wir können auch zurückerpressen.“ Zum Beispiel durch Rücknahme der Visaerleichterungen. An die Gegner des Paktes gerichtet sagte sie: „Das Ausmaß politischer Blödheit in der Türkei-Debatte erstaunt mich.“ Schließlich könne mit dem Pakt internationale Schlepper- und Schleuserkriminalität zerschlagen werden. Man wisse nicht, wer dahinter stecke. Gleichzeitig verteidigte Inge Gräßle vor rund 80 Schülern des „Erasmus+-Projekts“ das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und zeigte sich besorgt über einen möglichen US-Präsidenten Donald Trump: „Er ist bissel so wie das, was wir derzeit mit der AfD erleben. Wir sind besorgt, weil die Weltmacht USA nicht mit solchen Sprüchen regieren kann.“ Gleichzeitig forderte sie die Schüler auf, über den Tellerrand zu schauen und appellierte: „Entdecken Sie die EU, unsere Nachbarn und Freunde. Studieren Sie im Ausland. Sie sind die Generation mit den größten Chancen.“

© Gmünder Tagespost 13.05.2016