In der DDR gab’s keine iPhones - 25 Jahre deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober – Was wissen Schüler heute über die DDR?

 

Was wissen heutige Schüler über die Deutsche Demokratische Republik? Passend zum 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung am Samstag, 3. Oktober, besuchte die Jugendredaktion eine achte Klasse am Hans-Baldung-Gymnasium in Schwäbisch Gmünd. Die Mitarbeit war großartig. Das Ergebnis überraschend. Selbst die Lehrerin konnte es kaum fassen. Wer Erich Honecker war, wissen die Achtklässler des Gmünder Hans-Baldung-Gymnasiums nicht. Dafür vermutet eine Schülerin, dass Adolf Hitler die DDR gegründet hatte, die NSDAP die alleinherrschende Partei war und dass der Staat nach dem Krieg zusammengebrochen sei. Zu ihrer Verteidigung: „Die Deutsche Demokratische Republik steht erst ab der neunten Klasse auf dem Stundenplan“, sagt ihre Geschichtslehrerin Janine Hirner.

Unwissentlich hat die Achtklässlerin des HBGs eine Studie der Bundesregierung aus dem Jahre 2012 teilweise bestätigt. Mit Unterstützung der Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen befragten Forscher rund 7000 Acht-, Neunt- und Zehntklässler aller Schultypen zur jüngeren deutschen Geschichte. Das Ergebnis: erschreckend. Im Bezug auf die deutsche Einheit sei historisches Wissen bei den befragten Jugendlichen nur mangelhaft vorhanden. Viele würden zudem den geschichtlichen Kontext vermischen. So eben auch die Achtklässlerin des HBGs, deren Stunde aber noch kommen sollte. Sie sollte noch unter Beweis stellen, dass sie ansonsten sehr wohl über die DDR Bescheid weiß.

Gymnasiasten strafen die Forscher Lügen

Wer anhand der paar falschen Antworten nun aber glaubt, die Jugend verblödet immer mehr, der liegt falsch. „Die DDR wurde nach dem Krieg im Nordosten und Osten Deutschlands gegründet, die Stadt Berlin wurde aufgeteilt und an die Grenze kam ein Todesstreifen“, sagt die 13-jährige Carmen. Alles richtig. Klassenkameradin Annica fährt fort: „Nach dem Krieg wurde die russische Zone zur DDR und die Menschen, die dort lebten, wurden unterdrückt.“ Auch das ist richtig. Aber für was steht die Abkürzung DDR überhaupt? „Für Deutsche Demokratische Republik“, platzt es aus dem 13-jährigen Alexander raus. Seine Klassenkameraden nicken. Alle haben recht. Wieder richtig. Zur Erinnerung: Die Geschichte der DDR steht für die 28 Achtklässler des HBG erst im kommenden Schuljahr auf dem Lehrplan. „Ich bin selber überrascht, was meine Schüler alles schon über die DDR wissen“, wundert sich auch Lehrerin Janine Hirner. Woher sie das alles wissen? Von Verwandten, aus Büchern und aus dem Fernsehen kommt als Antwort. „Es ist schließlich sehr interessant, was damals passiert ist. Es muss schlimm für viele Leute gewesen sein“, sagt Annica.

Ein genaues Bild, wie das Leben zu Zeiten der DDR ausgesehen haben könnte, haben die Achtklässler trotz ihres profunden Wissens aber nicht. Rückständig sei der Staat gewesen. Das wissen sie. Und streng. „Die Menschen hatten auch nur wenig zu essen, waren teilweise vielleicht sogar obdachlos“, vermuten die Schüler. „Fortschrittliche Technik hatten sie auch keine – oder nur kaum“, glaubt Alexander zu wissen. „I-Phones hatten sie auf jeden Fall noch nicht.“ Die Westdeutschen zu dieser Zeit allerdings auch nicht.

Aufs Auto jahrelang warten? Für die Schüler unvorstellbar

Allerdings haben Alexander und seine Klassenkameraden in diesen Punkten mit ihren Vermutungen nur teilweise recht. Zwar war der Westen der Republik gegenüber dem Osten wirklich fortschrittlicher und konnte den Menschen auch wesentlich mehr Produkte anbieten. Doch hungern musste in der DDR kaum jemand, dafür aber in den Geschäften lange für Lebensmittel anstehen. Auch wirtschaftlich konnte die DDR einiges vorweisen. Besonders in den Bereichen Physik und Chemie. Auch der erste deutsche Astronaut, im Osten Kosmonaut genannt, kam aus der DDR – und ohne fortschrittliche Technik ist bisher noch kein Mensch ins All geflogen.

Obwohl die Achtklässler sich kein richtiges Bild vom alltäglichen Leben machen können. Ihr Faktenwissen ist dafür umso größer. Denn auch die Staatssicherheit, kurz Stasi, ist den Schülern ein Begriff. Ebenso der Trabi. „Die Menschen mussten teilweise 15 Jahre auf ihr Auto warten“, weiß Carmen. Für sie selbst und ihre Mitschülerin heutzutage trotzdem kaum vorstellbar – aber in der DDR durchaus Realität.
Real war auch die Berliner Mauer und der Grenzwall um die DDR herum. Erlebt haben es die Gmünder Achtklässler nicht mehr, dafür liegt es schon zu lange zurück. Sie wissen aber, dass es sie gab. Haben die Mauer sogar teilweise mit eigenen Augen gesehen – bei Berlinreisen mit ihren Eltern. Dass die Mauer aber im Jahre 1961 erbaut wurde, ist den Schülern neu. Der Mauerfall am 9. November 1989, der einen wichtigen Meilenstein für die Wiedervereinigung darstellte, ebenfalls. Warum sie stand, wissen die Achtklässler dafür wieder: „Die Menschen sollten eingesperrt werden“, formulieren sie es in ihren eigenen Worten. Richtig lautete es damals „an der Ausreise hindern“. Unrecht haben die Achtklässler trotzdem nicht. Auch sonst wissen sie erstaunlich viel über die DDR. Das haben sie bewiesen. Ihre Wissenslücken können die 13-Jährigen allesamt von ihren älteren Verwandten auffüllen lassen. Von den Eltern und Großeltern. Denn die haben die Deutsche Demokratische Republik, die Spaltung Deutschlands und den Kalten Krieg noch erlebt – und werden es auch so schnell nicht vergessen.

© Gmünder Tagespost 01.10.2015 20:51:36