Autorenlesungen mit Andelka Krizanovic

„Jeder eurer Gedanken könnte interessant fürs Schreiben werden – sobald ihr ihn weiterentwickelt!“ Diese Worte gab Andelka Krizanovic den Schülern der 11. Klasse des Hans-Baldung-Gymnasiums mit auf den Weg. Die junge Autorin, die selbst im Jahr 2003 ihr Abitur am HBG absolviert hat, kam 1992 mit ihren Eltern als Flüchtling des Balkankrieges nach Deutschland. Seit vier Jahren schreibt sie nun an einer 100 Jahre zurückreichenden Balkan-Familienchronik, in der sie die Erlebnisse ihrer Familie verarbeitet. Für das erste Kapitel dieses Romans wurde sie 2013 mit dem Literaturpreis der Stadt Mainz für junge Autoren ausgezeichnet. Ausschnitte des Romans und ihre erste Kurzgeschichte „Das Seepferdchen-Dilemma“ stellte sie vergangenen Donnerstag und Freitag über 200 Schülern und am Abend Lehrern und Eltern im Rahmen von Lesungen vor, die durch das Erasmus+-Projekt und den Förderverein des HBG finanziert worden sind. Den Weg zurück ans HBG fand sie mehr oder weniger zufällig. Ihr ehemaliger Religionslehrer Klaus Kienzler, der noch immer am HBG tätig ist, besuchte im November eine ihrer Lesungen und lud sie ein, woraufhin sie sofort zusagte. Solche Veranstaltungen seien für sie immer eine Gelegenheit, die Wirkung ihrer Texte auf den Leser zu testen und aus der Zusammenarbeit mit ihm heraus dann weiter zu arbeiten.

Ihren Roman schreibt sie aus der Sicht einer Ich-Erzählerin, die schon als Kind suizidale Gedanken hat. Da sie per Kaiserschnitt auf die Welt kam, hat „die kleine Angelin“ starke Schuldgefühle ihrer Mutter gegenüber und ist überzeugt davon, nur durch ihren eigenen Tod ihre Schuld wettmachen zu können. Schon im Alter von zwei Jahren verschluckt sie deshalb eine Münze, darauf abgebildet der Marschall Tito. Krizanovic beschreibt die Wanderschaft der Münze durch den Magen der Ich-Erzählerin und wie sie letztlich doch nicht daran stirbt, die Familienmitglieder jedoch weltpolitische Schlüsse daraus ziehen. Die Autorin versteht es, die Geschichte dem Leser durch humorvolle und angenehm freche Art nahe zu bringen. Der Mix aus wahren Begebenheiten, hinzugefügten Vorstellungen sowie fiktiven Elementen erweckt die Familiengeschichte zum Leben. Die Weltkriege, der Kommunismus in Jugoslawien, der Balkankrieg der 90er Jahre – politische Themen, die das Familienbild geprägt haben, webt sie in den Roman ein. Und vor allem motivierte Krizanovic das junge Publikum, selbst einen Stift in die Hand zu nehmen und darauf los zu schreiben: „Habt immer Stift und Papier dabei. Die lustigsten Gedanken können einen immer dann überfallen, wenn man nicht damit rechnet!“