„Lebst du noch – oder wohnst du schon?“

Wohnen ist umfassender Ausdruck menschlichen Wesens – das zeigte sich am Themenabend „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ des Seminarkurses 2022/23 am HBG. Von Daniel Sethaler

Dass wissenschaftlichem Arbeiten mitunter hochspannende, ja preisverdächtige Ergebnisse abgerungen werden können, ist nicht neu – wenn ein Seminarkurs aber mit einem Landespreis und drei Förderpreisen aufwarten kann und damit zu den erfolgreichsten Schulen Baden-Württembergs gehört, ist das einer näheren Betrachtung wert. Aus diesem Grund fand am 18. Januar 2024 ein Themenabend zum Motto des 28. Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ statt.

Rund 40 Zuhörer lauschten gespannt den Vorträgen des Abends, durch den Seminarkurslehrer Daniel Sethaler führte. Zu Beginn stellten er und Oberbürgermeister Richard Arnold sowie der Geschäftsführer der VGW Celestino Piazza erste Überlegungen zum Wohnen an. Sethaler reflektierte anfangs über die philosophischen und anthropologischen Aspekte des Wohnens: Wohnen diene der Ent-faltung, Ent-wicklung, Ent-werfung des Menschen in die Gesellschaft hinein, sei also etwas zutiefst Soziales. Dem pflichteten die Nachredner in ihren Grußworten bei: Arnold betonte, welche sozialen Problemstellungen es gerade in der heutigen Zeit beim Wohnen zu bedenken gelte, während Piazza die Bedeutung bezahlbaren Wohnens hervorhob.

Die Sozialität des Wohnens wurde anschließend in den Vorträgen der beiden Hauptrednerinnen deutlich: Förderpreisträgerin Ida Schneider hatte sich in ihrer Arbeit mit dem Wohnhaus ihrer Großeltern in Ulm beschäftigt und die Veränderungen in den Wohnbedingungen während der letzten 150 Jahre untersucht. Während der Forschungsphase entstand für Schneider ein völlig neues Bild dieses Hauses, bei dem besonders die Umgestaltung in den 1960er Jahren hervorstach: in einer Zeit, in der der Trend zum Bauen auf der grünen Wiese ging, schufen die Großeltern sich durch einen Aus- und Anbau einen modernisierten Wohnraum, der dem Zeitgeist auf seine Weise Rechnung trug.

Ein völlig anderes Forschungsthema hatte sich Landespreisträgerin Marie Fuchs ausgesucht: Sie ging der Frage nach, ob es möglich sei, in einem Waisenheim zu wohnen. Als Basis für ihre Überlegungen dienten ihr Grundlagenmodelle aus der Psychologie, anhand derer sie die These aufstellte, dass das Wohnen nicht nur Grund- und Sicherheitsbedürfnisse umfasst, sondern auch eine Form der Selbstverwirklichung beinhaltet. Am Beispiel des Landeswaisenhauses Schwäbisch Gmünd, das sich im Gebäude der alten PH in der Lessingstraße befand, zeigte Fuchs auf, dass die von ihr angenommenen Bedürfnisse in einem Heim nicht umfassend erfüllt werden – Wohnen ist im alltäglichen Sinne des Wortes im Heim nicht möglich.

Oberbürgermeister Arnold und VGW-Chef Piazza zeigten sich begeistert von den Erkenntnissen, wie auch das Plenum die Beiträge mit Applaus honorierte. Eine kleine Anerkennung an die Preisträgerinnen von Seiten der Stadt und die herzliche Bewirtung des Freundeskreises des HBG rundeten den Abend ab, der sich in ähnlicher Form – so bleibt zu hoffen – als reguläres Format am HBG etablieren wird.

Bild: (v.l.n.r.) Schulleiter Veit Botsch, Celestino Piazza, Marie Fuchs (Landespreis), Emilia Schäfer (Förderpreis), Clara Heinemann (Förderpreis), Ida Schneider (Förderpreis), Richard Arnold, Daniel Sethaler; nicht im Bild: Seminarkurslehrerin Petra Spinner