Spaßkämpfer und Chaoten: Jungs erleben Schule anders _ Vortrag von Dr. Reinhard Winter

Sein Vortrag findet großes Interesse: Die Besucher im Festsaal der pädagogischen Hochschule lauschen den Worten des Diplompädagogen Reinhard Winter. Foto: Jan-Philipp Strobel

Der Diplompädagoge Reinhard Winter referiert zum Thema „Wie Jungen Schule schaffen“ und zeigt auf, warum sich Mädchen an Schulen leichter tun.

Sind Jungs Schulversager? Zumindest seien männliche Schüler in der Schule weniger erfolgreich als Mädchen. Meint zumindest der Diplompädagoge Reinhard Winter. Daher versucht er, diesen „leidigen Umstand“ zu beheben oder zumindest zu minimieren. Wie das gelingen könnte, darüber referierte er auf Einladung des Hans-Baldung-Gymnasiums am Montagabend im Festsaal der pädagogischen Hochschule.

Und sein Vortrag zum Thema „Wie Jungen Schule schaffen!“ fand Gehör. Vor allem Mütter mit Söhnen informierten sich. Aber auch Lehrerinnen. Ebenfalls anwesend waren einige Väter und Lehrer – allerdings deutlich in der Unterzahl. „Mehrfachbetroffene“, also Lehrer und Eltern zugleich, waren ebenfalls anwesend.

Es gehe darum, begann Winter, als Eltern und Lehrer die Jungen ein Stück weit mit zu erziehen und zu bilden. Es stelle sich dabei die Frage, warum und weshalb besonders heute so viele Jungen als „Schulversager“ gälten. Ursachen dafür gebe es viele, meint der Diplompädagoge. Schule sei für Jungen schwieriger geworden. Ein Grund dafür sei unter anderem die Zusammensetzung des Schulpersonals, erklärte Winter. 80 Prozent des Lehrpersonals sei weiblich – folglich seien nur 20 Prozent Männer.

Außerdem, fuhr Winter fort, stellten Jungen andere Erwartungen als Mädchen an die Schule – und werden häufig enttäuscht. Schon kleine Raufereien könnten stigmatisieren. Dabei seien „Spaßkämpfe“ eben „typisch für Jungen“. So gebe es eben männliche Vorbilder, die solches einschlössen. „Stark sein“ sei ein typisches Verlangen männlicher Kinder und Jugendlicher.

Ein Problem sei auch, dass sich Jungs selbst als Bildungsverlierer verstehen würden. Daher gelte es, diese besser zu erreichen. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen von Eltern und Lehrern seien dabei wenig hilfreich, sagte Winter. Nicht unterschätzen solle man dabei die Rolle der Eltern als Führungskräfte und Vertrauenspersonen. Häufig allerdings übernähmen Eltern zu lange Verantwortung für die Kinder. Diese sollten eher zu eigeninitiativem Handeln angehalten werden.

Als wichtig erachtet Winter, dass die Schlüsselkompetenz Lesen bei Jungs stärker gefördert werden muss. Hier seien die Mädchen den männlichen Schülern überlegen, weil diese einfach mehr lesen würden.

Ein weiterer Punkt sei die häufig fehlende Ordnung – allerdings gebe es das immer mehr auch bei Mädchen. „Aber Chaos fördert die Kreativität“, sagt Winter. Ebenfalls akzeptieren müsse man, dass Jungs einfach anders redeten. Und wolle man Leistung erzielen, so solle dies möglichst „ohne Druck“ erfolgen.

Ein weiterer Nachteil im männlichen Leben sei, dass es weniger Alternativen zum Erfolg im Beruf gebe. Jungs hätten nicht so viele Optionen. Das erhöhe den Druck. Die Angst vor dem Versagen sei deutlich größer als bei Mädchen. Und Angst sei ein schlechter Leitstern. Er rate den Schulen und Eltern daher, Kompetenzen zu erkennen und zu akzeptieren. „Denn Kompetenz motiviert“, erklärt Winter.

© Gmünder Tagespost 20.11.2018 18:49