Schülerinnen und Schüler des Gmünder HBG wurden für ihre aufendig recherchierten Geschichtsprojekte von Kultusministerin Theresa Schopper ausgezeichnet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zu einem Geschichtswettbewerb zum Thema „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ auf und behauptete mit einem Kästner-Zitat: Die Geschichten liegen auf der Straße.
Das sahen die Teilnehmenden der Kursstufe 1 des Hans-Baldung-Gymnasiums anders. Offen gesteht Noah Taverner: „Das Thema war kacke!“, was die anderen aus vollem Herzen bestätigen. Mit Elan, nicht nachlassendem Eifer, angestachelt durch Misserfolge bei der Recherche haben sie weiter gemacht, sechs bis neun Wochen intensive Arbeit reingesteckt, ihren Blick auf die Gesellschaft geschärft und im Stuttgarter Neuen Schloß Preise aus der Hand von Kultusministerin Theresa Schopper erhalten.
“Was ist wohnen, was gehört dazu, was nicht?“ sei nicht einfach zu beantworten. Eine Hausgeschichte sollte es nicht werden. Ansprechpartner waren mühsam zu finden. Marie Fuchs ging der Frage nach „Wohnt man auch im Heim?“ am Beispiel des Gmünder Landeswaisenhauses (1934 – 1957). Über das dreistündige Gespräch mit einer Zeitzeugin sagt sie: „Meine beste Erfahrung! Ein Bild, das ich nie durch Literatur hätte bekommen können.“
Ihre Schwester Paula hatte sich die JVA Gotteszell vorgenommen, um den Insassinnen eine Stimme zu geben. Beeindruckt vom Mutter-Kind-Haus, einem schönen Ort, erkennt sie, es bleibt ein Gefängnis und „da stehen kleine Kinderschuhe“. Im Interview mit einer ehemaligen Insassin wird ihr klar, dass jedem eine Straftat passieren kann. „Es muss sich etwas im sozialen Leben ändern!“, fordert sie.
Emilia Helene Rosa Schäfer wohnt seit Jahren neben dem Obdachlosenwohnheim in der Aalener Straße und fragt: „Inwiefern war das Obdachlosenwohnheim im Jahr 1994 ein für seine Zeit besonderes Konzept?“ Während ihrer Arbeit ist sie auf neue Themenfelder gestoßen. Auf die philosophische Definition von Obdachlosigkeit, von individuellen Schicksalen und war überrascht, dass ein Bewohner mit dem kargen Raum seit 26 Jahren zufrieden ist.
Ida Schneider befasste sich wie Larissa Hartmann und Lizzy Loreen Wentenschuh mit dem Haus, das sie selbst bewohnen oder bewohnt haben. Von Ida Großmutters ehemaligem Haus erfuhr sie durch Fotos und Gesprächen viel über ihre Familie, über die für heutige Zeit beengten Wohnverhältnisse.
Als Lizzy auf die Zahl 1686 auf der Kellertür stieß, stand ihr Thema. Sie wohnt in einem Haus, in dem seit 337 Jahren ihre Familie lebt. Rauszufinden, wie man damals zusammenlebte, sei faszinierend. In einem Zimmer, das nur die Hälfte ihres eigenen maß, drängten sich viele Menschen. „Die Familien waren zufrieden!“, erläutert sie. Nachdenklich setzt sie hinzu: „Man müsste seine Ansprüche runterschrauben.“
Larissa ging den Veränderungen des bäuerlichen Wohnens in Iggingen nach dem Zweiten Weltkrieg nach. Die Igginger Bauernhäuser richteten sich nicht an der Anzahl der Familienmitglieder, sondern nach der Grundstücksgröße. In den 70er-Jahren wurden viele saniert, in den 80er-Jahren passte man die Häuser an städtische Maßstäbe an. An Beispielen wird der Wandel in die Moderne anschaulich.
In „Erzwungenes Wohnen als Erfolgsmodell“ beschreibt Katharina Hieber die Aufnahme von Wohnungslosen 1945 in Degenfeld. Die einerseits schockierende Recherche, denn Fremde wurden in das eigene Haus gesetzt, mündet in die Faszination neuer Freundschaften. Clara Heinemann konnte aus Büchern und Dokumenten das Heilig-Geist-Spital untersuchen als „Letzte Chance auf sicheres Wohnen für Arme“.
Noah Taverner geht den Gastarbeitenden nach. Es beginnt mit seiner Familiengeschichte und führt zur Erkenntnis aus der historischen und gesellschaftlichen Recherche, dass diese Menschen nicht genügend wertgeschätzt wurden und auch heute nicht werden.
Für die begleitenden Lehrer Petra Spinner und Daniel Sethaler ist dieser Wettbewerb eine andere Art, an Geschichte heranzugehen. „Gleichzeitig Vorübung für eine Hausarbeit, wie man sie im Studium machen muss!“, so Sethaler.